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Reisen und Group Rides

Alter Schwede … Vätternrundan 2023

Alter Schwede … Vätternrundan 2023 1920 2560 Mic

Als Freund langer und landschaftlicher interessanter Radmarathons trifft man früher oder später auf die Vätternrunde, ein Event, das um den zweitgrößten schwedischen See, eben dem Vättern führt. Diesen Marathon gibt es seit den 60er Jahren und gilt als weltgrößtes Radrennen für Amateure, nehmen doch über 30.000 Menschen an insgesamt sechs Rennen in den ersten Juniwochen teil, in diesem Jahr waren für den eigentlichen Marathon am 17.06. etwa 15.000 Teilnehmer gemeldet.

Vätternrundan im Juni: Sechs Rennen, 30.000 Teilnehmer, 315 Kilometer

So war ich gleich begeistert, als mich meine Radkollegin Christiane im letzten Herbst auf eine organisierte Reise zum Selbstkostenpreis aufmerksam machte, all inclusive, ab Bremen. Leider brach sich Christiane das Schlüssenbein, auch der Organisator Axel brach sich das Becken, beide konnten nicht mit (zum Glück bei der Ausübung unseres geliebten Sports passiert).

Letzten Mittwochabend am Hauptbahnhof, der Radreisespezialist Sausewind aus Oldenburg verlud unsere wertvollen Spielgeräte sorgfältig und fachgerecht auf den Hänger und los ging’s. Nachdem wir noch in Hamburg und Lübeck hielten, konnten wir mit etwa 50 Gleichgesinnten die Reise auf der Vogelfluglinie fortsetzen. Gegen 7:00 Uhr trafen wir in unserem Hotel ein und wurden mit einem leckeren Frühstück begrüßt.

Das „Hotel“ ist ein Museumsdorf aus dem 18.Jahrhundert, wir wurden in verschiedenen Gebäuden untergebracht. Man war gleich im Urlaubsmodus und wurde von der wunderschönen Landschaft und dem unprätentiösen Auftreten der Schweden eingenommen.
Der Donnerstag stand zur freien Verfügung, die meisten haben die Gegend erkundet oder sind baden gefahren.

Schweden wie im Bilderbuch

Am Freitag ging‘s zur Akkreditierung nach Motala, etwa 15 km vom Hotel entfernt. Hier war der ganze Stadtpark eine Fahrradmesse mit diversen Ständen (Food, Hersteller, Reparatur etc.) und einem riesigem Radzubehörkaufhaus, das extra errichtet wurde.

Nach der oblitatorischen Pastaparty schnell ins Bett, es wurde langsam ernst. 3:00 Uhr aufstehen, kurz vor fünf in eine von drei Startboxen und wie bei den Profis mit Banden, erstaunlich vielen jubelnden Zuschauern am frühen Morgen unter Motoradführung neutralisiert aus der Stadt geführt.

Als dann die ersten Sonnenstrahlen wärmten, man seine Gruppe fand, war die Aufregung verflogen und man konnte entspannt die Fahrt genießen. Man nimmt gegenseitig Rücksicht, plaudert miteinander. Es gibt natürlich auch große Teams, die sich sorgfältig und ambitioniert vorbereitet hatten, hier soll man nicht versuchen, Windschatten zu erhaschen und den Kreisel zu stören, da wird man schon heftig auf schwedisch gerügt. Ein kurzes „no hablo espanol“ hilft aber meist weiter. Zur guten Atmosphäre trägt auch die unfassbar gute Organisation bei, hunderte Helfer überall, ganze Bundesstraßen werden komplett gesperrt, die Fahrer haben überall freie Bahn. Etwa alle dreißig Kilometer gibt es einen Verpflegungsposten, auch hier bestens versorgt, Köttbullar, Lasagne, warme Heidelbeersuppe…

Köttbullär bei IKEA sieht aber besser aus.

Angesichts der hochsommerlichen Temperaturen mussten zumindest die Wasservorräte aufgefüllt werden. So fuhren wir glücklich in 8 bis Stunden auf großen und kleinen Straßen immer mit grandioser Landschaft dahin, einzelne von uns sind wie viele andere bereits am Vorabend gestartet und die ganze Nacht durchgefahren. Neben den Sportlern sieht man auch normale Hollandräder mit Korb und ohne Gangschaltung, uralte 20 Zoll Klappräder etc.

Weinende Radfahrer am Straßenrand

Je näher man dem Ziel kam, umso mehr fand man verzweifelte weinende Fahrer am Strassenrad, die der Hitze und den „Bergen“ Tribut zollen mussten. Immerhin haben die Gletschermoränen doch 1.600 hm auf der Strecke hinterlassen, ich selbst kam grad aus dem Allgäu und konnte die Hügel plattfahren. Wie ich in der Gesprächen erfuhr, sind neben den Ambitionierten auch viele unterwegs, die unter Arbeitskollegen solch ein dicker Brett angehen, ohne recht zu wissen, aus was man sich einlässt.

Medaille und Feiern

Schließlich noch ein kurzer Schlußsprint, durchs Ziel, Medaille, schöne Feier mit den Kollegen. Noch ein leckeres Essen im Hotel, kurze Nacht, am frühen Sonntag zurück nach Bremen. Riesige Staus in Schleswig-Holstein konnten durch die erheblichen gekühlten Biervorräte des sehr netten Busfahrers Christoph erträglich gestaltet werden, die erlebnisreichen Tage in Schweden konnten durch das sehr später Eintreffen mitten in der Nacht nicht getrübt werden.

Ich bin schon für nächstes Jahr angemeldet (15.6.24), wer mit will, sagt Bescheid.

Butterkuchen RTF 2023

Butterkuchen RTF 2023 1920 1440 Mic


Die Butterkuchen RTF vom TSV Barrien am 11. Juni 2023.

Die Sportfreunde vom TSV Barrien sind Frühaufsteher. Das Zeitfenster für den Start ist von 8.00 bis 9.00 Uhr angesetzt. Um 0530 klingelte mein Wecker, frisch machen, eine Kleinigkeit frühstücken und um 0615 Uhr mit dem Rad in Ritterhude gestartet, damit ich den ersten Start am Sportplatz in Barrien nicht verpasse.

Rechtzeitig um 7.40 Uhr war ich in Barrien, die Registrierung verlief reibungslos. Für € 10,- habe ich eine Startnummer, eine Stempelkarte und ein blaues „All-Inclusive-Armband“ erhalten. Um 7.50 Uhr bin ich zum Start gerollt und war beeindruckt von den vielen Teilnehmern, die bei bestem Wetter schon ungeduldig auf den Start warteten.


Tipp an zukünftige Teilnehmer, es folgen noch zwei weitere Kontrollstellen mit erheblichen Butterkuchen-Vorräten.

Nach dem Start wird üblicherweise zügig gefahren, nach einigen Kilometern bilden sich Gruppen, welche meistens harmonisch funktionieren. Nach etwa 27 km wurde bei Falldorf bereits die erste Kontrollstelle erreicht und es gab Butterkuchen satt. Der Butterkuchen war einfach nur lecker. Anbei ein wohlmeinender Tipp an zukünftige Teilnehmer, es folgen noch zwei weitere Kontrollstellen mit erheblichen Butterkuchen-Vorräten.


Genussfahrt durch leicht welliges Gelände

Es ging zügig über Bruchhausen-Vilsen und Engeln nach Bensen, zur zweiten Kontrollstelle mit Butterkuchen-Buffet. Mittlerweile hat sich das Feld deutlich gestreckt und im hinteren Bereich wurde es erheblich ruhiger. Es wurde eine Genussfahrt durch leicht welliges Gelände zur letzten Kontrollstelle bei Ströhen mit Buterkuchen. Mit vollem Bauch haben haben wir zu dritt den letzten Abschnitt in Angriff genommen und sind nach 115 km wieder am Sportplatz in Barrien angekommen. Am Sportplatz herrschte Volksfeststimmung, die Veranstalter hatten zusätzlich zur RTF ein Volksradfahren organisiert und es war ein buntgemischtes Publikum zugegen. Für das leibliche Wohl wurde gesorgt, von der Bratwurst über Kaffee und Kuchen und Getränke aller Art, blieben keine Wünsche offen.

Ich machte mich auf den Heimweg. Nach 6,5 Stunden Fahrzeit und 195 km kam ich glücklich erschöpft zu Hause an. Es war eine sehr schöne und gut organisierte RTF.


Daten

  • Tempo: 30 Schnitt
  • Strecke: 195 km (mit An- und Abfahrt)

La Doyenne 2023 Lüttich-Bastogne-Lüttich

La Doyenne 2023 Lüttich-Bastogne-Lüttich 1920 1280 Mic

Was wird wohl die junge Frau mit den zwei Kindern über den Mann in „Strumpfhosen“ gedacht haben, der auf dem Klappsitz vor der Toilette im ICE von Bremen nach Köln saß und krampfhaft sein Fahrrad festgehalten hat? Der Mann wusste es nicht genau, es sah aber so aus, als würde die Frau ihre quengelnden Kinder in der Toilette vor dem Mann beschützen wollen, in dem sie die Tür von außen mit beiden Händen blockierte.


Ardennen 4400 hm

Der Mann war ich, natürlich völlig harmlos, in Radklamotten, und auf der Reise nach Lüttich, um dort an der Challenge „Lüttich-Bastogne-Lüttich“ teilzunehmen. Nach dem „Amstel Gold Race“ im letzten Jahr wollte ich mir endlich den Traum erfüllen und eins der Monumente des Radsportes fahren. La Doyenne (die Älteste) wird seit 1892 ausgetragen und ist mit Sicherheit nach Paris-Roubaix das schwerste aller Eintagesrennen. Immerhin sind auf dem 251 km langen Weg durch die Ardennen 4400 hm zu bewältigen, und die Prozentzahlen an den berühmten Anstiegen wie La Redoute oder Roch-aux-Foucons sind furchteinflößend.

Daran dachte ich, als ich in Aachen aus dem Zug stieg und im Bikepackingmodus meine Ridley-Aeromaschine in Richtung Belgien bewegte. Das Abenteuer hatte begonnen und ich flog über den ersten Berg, um dann mit großer Geschwindigkeit die Abfahrt bis zur Landesgrenze zu nehmen. Auf dem Weg über die holprigen Straßen der Ardennen, spürte ich die Kraft der Hügel. In der Luft lag dieser feine Geruch, ein undefinierbares Gemisch aus Schweiß, Blut und Endorphinen. Hier gehörte ich hin, hier wollte ich leiden. Ich fühlte mich Willkommen! Dann war er da, dieser 22.4.2023.


Schließlich war ich hier bei Lüttich-Bastogne-Lüttich und nicht irgendwo auf einer Kirmes

In der Nacht vor dem Start hatte es noch ein heftiges Gewitter gegeben. Die Straßen waren kurzzeitig weiß vom Hagel und die Blitze erhellten die Berge, die am nächsten Tag zu meiner Bühne werden sollten. Morgens um 6.30 wurde die Meute in Banneux, einem kleinen Ort südlich von Lüttich, von der Leine gelassen. Ich hatte mich für kurze Hosen, Langarmtrikot und Weste entschieden. Das musst reichen, egal was kommt. Schließlich war ich hier bei Lüttich-Bastogne-Lüttich und nicht irgendwo auf einer Kirmes in Bayern. Die 251 km lange Strecke war gespickt mit 40 kategorisierten Anstiegen, von denen einige wirklich geschichtsträchtig sind. Radsportfans atmen tief durch, wenn sie Namen wie Cote de Roch, La Redoute, Roch-aux-Foucons, Col de Rosier oder Col de Wanne hören.

Nach dem Start fuhren wir mit Gegenwind (Das verhieß für den zweiten Teil der Strecke Rückenwind.) Richtung Bastogne, dem südlichsten Punkt der Strecke. Ich fühlte mich gut und fuhr einen, wenn auch nicht besonders schnellen, Rhythmus. Mein Ziel war anzukommen. Plätze und Zeiten waren mir komplett egal.


So habe ich schlagartig hunderte Cyclists hinter mir gelassen.

Meine besondere Taktik ging auf: An den Bergen ruhig bleiben und an den Verpflegungsstellen attackieren! Ich habe nur Iso aufgefüllt und bin sofort weiter. So habe ich schlagartig hunderte Cyclists hinter mir gelassen. Das gab mir immer wieder das Gefühl, mitten im Feld zu sein. Bei Kilometer 160 waren knapp 2000 hm bewältigt. Die Abfahrten waren schnell, weil die Straßen bis dahin noch eben und die Anstiege noch gnädig waren. Die Sonne schien und alles war nur halb so schlimm. Aber jeder, der sich mit dem Rennen auskennt, weiß, Lüttich-BastogneLüttich beginnt jetzt erst richtig. Cote an Cote reihte sich nun gnadenlos aneinander.


21,4%-Marke, bevor mir schwarz vor den Augen wurde

Die Prozentzahlen in den Steigungen sind unmenschlich. Am Scheitelpunkt der Cote Stockeu, an der die Stele von Eddy Merckx steht, erhaschte ich mit einem Blick auf den Tacho die 21,4%-Marke, bevor mir schwarz vor den Augen wurde. Tief über den Lenker gebeugt, hieß es jetzt einfach nur Drücken. Das zwischenzeitlich nervöse Fummeln an der Schaltung war nur die entmutigende Bestätigung dafür, dass alle Gänge aufgebraucht waren. Pünktlich zur Entscheidung wurden wir endlich mit Regen belohnt. Gleichzeitig verwandelten sich die Straßen in Schlaglochpisten. Beste Voraussetzungen für ein episches Finale. Bevor es in die lange Abfahrt nach Remouchamps ging, fuhr ich, nach mehr als 210 km, ziemlich knapp an meiner Unterkunft vorbei. Ich musste an Odyssee denken, der den Sirenen widerstand, als ich an die Wärme des Pelletofens, die Dusche und die leckeren Nudeln auf dem Herd dachte. Einfach nur abbiegen und das Leid war zu Ende.

Der Moment ging vorbei und plötzlich war ich an der La Redoute. Ich bahnte mir den Weg durch ein Spalier unzähliger Wohnmobile und spürte mehr denn je die Müdigkeit und die Schmerzen in meinem Körper. „Nur noch hier hoch, dann ist es fast geschafft. Ich bin an der berühmten La Redoute. Fahr, Udo, fahr! Da wolltest du doch immer hin.“ Dann war es geschafft – die Redoute. Der Regen nahm zu. Ich begann zu frieren. Die Konzentration ließ nach und immer wieder fuhr ich unkontrolliert durch Schlaglöcher. Als ich an die Cote Roch-aux Foucons kam, fühlte ich mich wie ein geprügelter Hund. Den Berg kannte ich vom Jahr zuvor. Dort war ich mit Marc einen Tag vor dem Amstel locker hochgekurbelt. Es ging leicht nach rechts und dann sah ich diese Wand. Das Rot auf meinem Wahoo schien mich zu verhöhnen. „Was soll das?“, habe ich kurz gedacht und bin los, den Blick stoisch auf mein Vorderrad gerichtet.


„Doyenne, du schaffst mich nicht!“

Hätte ich nach vorn geschaut, wäre ich bestimmt abgestiegen. Der Regen prasselte auf meinen Helm und die Beine verfingen sich im Rahmengewirr. Dann war es geschafft, auch die brutale Gegensteigung die einer kurzen Abfahrt folgte. Die letzten Kilometer waren qualvoll. Ich war erledigt und es ging weiter bis zur Ziellinie berghoch. „Doyenne, du schaffst mich nicht!“


Die Erlösung – die Linie!

Die Schlacht war zu Ende. Fast. Die 6 km bis zu meiner Wohnung schienen endlos: Cote de Huis! Kategorisierter Anstieg Nr. 41.

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